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Kartoffeln

Als Hexenkraut verteufelt, als Blume bewundert, in der Küche geschätzt

Morgens rund,
Mittags gestampft,
Abends in Scheiben,
dabei will ich bleiben,
Das ist gesund

Kartoffelernte
Kartoffeln verhindern Hungersnöte

Dieses kleine Rätsel in Gedichtform verfasste der Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe in seinen Reiseerinnerungen, als er im August 1814 den Rheingau besuchte und in Bingen auf dem Sankt-Rochus-Fest feierte. Doch Goethe war nicht der erste berühmte und hochgebildete Liebhaber der nahrhaften und gesunden Erdknolle. Preußenkönig Friedrich der Große hatte bereits am 24. März 1756 per Verordnung »sämmtliche Land- und Steuer-Räthe, Magisträte und Beamte« in seinem Reich angewiesen: »Es ist Uns in höchster Person in Unsern und anderrn Provintzien die Anpflanzung der sogenannten Tartoffeln, als ein nützliches und so wohl für Menschen, als Vieh auf sehr vielfache Art dienliches Erd Gewächse, ernstlich anbefohlen...«

Kartoffelbauern
Friedrich der Große bei den Kartoffelbauern

Und vor dem Preußenkönig hatten schon 1647 die weitsichtigen fränkischen Hohenzollern den Kartoffelbau in den von ihnen regierten Gebieten eingeführt, womit sie zu Ende des 30-jährigen Krieges den Hunger eingedämmten. Doch die Liebe der Deutschen zur nahrhaften Erdknolle war eine Liebe auf dem zweiten Blick. Mehr der Not gehorchend kamen die Brot- und Getreidebrei-Esser erst so nach und nach auf den Geschmack der exotischen Erdfrucht. Die Pflanze wuchs nicht in Europa von alters her, sondern wurde von den Seefahrern im 16. Jahrhundert aus den Anden Südamerikas als Reisesouvenir mitgebracht. In Europa nutzte man die in die Erde eingepflanzten Knollen zunächst nur, um daraus schöne Blumen zu züchten. Man kultivierte sie in Schlossgärten und Parks. Die Erkenntnis, dass man die nachgewachsenen Knollen des zart weiß und lila blühenden Strauchs aus der Erde graben, kochen und essen konnte, ließ noch auf sich warten. Zunächst hatte der Klerus gegen die Pflanze, die nicht in der Bibel stand, kräftig gewettert. Sündige Begierden erregend sei das Knollenkraut, ereiferte sich mancher Prediger. Es gehörte zu den Nachtschattengewächsen, einer Pflanzenfamilie, aus der auch so manches Hexenkraut gebraut wurde.

Kartoffelblüte
Kartoffelblüten

Verwandt ist die Kartoffel, die von den Botanikern den lateinischen Namen Solanum Tuberosum erhielt, mit der Tomate (Solanum lycopersicum). Diese wurde ebenfalls von den spanischen Seefahrern, die nach Kolumbus in die Neue Welt reisten, nach Europa gebracht und von den Predigern und Sittenwächtern misstrauisch beäugt. Doch diese finsteren Zeiten sind längst vorbei, die Kartoffel ist von unserem Speisezettel nicht mehr wegzudenken und die Botaniker haben aus dem Teufelskraut über 5000 Kartoffelsorten mit unterschiedlichen Eigenschaften und in vielen Geschmacksrichtungen gezüchtet. Die Namen des wichtigen Volksernährers sind im deutschsprachigen Raum sehr vielfältig, wie Erdapfel, Erdbirne, Frundbirne, Grumbeere, Grumpern, Tüfte, Erbumser, Pantüffeln, Potaken, Tartuffel, Ketüffel, Gummeli, Apern, Kantüffeln, Kaulen, um nur einige zu nennen.

Kartoffelschälerin
Kartoffelschälerin von Elvira Bach

Und die Erdknolle vermag auch die Köche zu inspirieren. Ein kurzer Blick in Großmutters Kochbuch lässt dem Freund der Hausmannskost und auch dem Feinschmecker das Wasser im Mund zusammenlaufen: Da finden sich Pellkartoffeln, Schwenkkartoffeln, Bratkartoffeln, Rösti, Kartoffelgratin, Stampf, Kartoffelgulasch, Reiberdatschi, Kartoffelbrei, Klöße, Schupfnudeln, Fritten, Kroketten, Kartoffelsalat und die gute Kartoffelsuppe schätzte schon Preußenkönig Friedrich.

Doch bislang wurde nur der nahrhaften und ebenso schmackhaften Erdfrucht ein Loblied gesungen. Ebenso lobend muss man ihren Gesundheitswert hervorheben. Wir erinnern uns an Goethes kleine Huldigung.

Kartoffeln enthalten wertvolle Mineralien und Spurenelemente wie Magnesium, Kalium, Kalzium, Phosphor und Eisen. Der Körper kann diese nicht selbst herstellen, benötigt sie jedoch für Zellenaufbau und zahlreiche Stoffwechselreaktionen.

Ballaststoffe der Kartoffel erzeugen einen anhaltenden Sättigungseffekt, da sie vom Magen und Darm nur langsam verdaut werden. Zudem regen sie das Verdauungssystem an, vor allem, wenn man Kartoffeln ungeschält zubereitet.

Kartoffeln sind besonderes reich an Vitamin C sowie B1 und B2, Niacin, Pantothensäure und B6. Vitamine regulieren den Stoffwechsel, stärken das Immunsystem, zudem sind sie wichtig für Haut, Haare und Nägel. Und wer nach üppigen Zeiten einige Kilo abspecken will, kann das mit einer Kartoffeldiät auf eine gesunde Art tun. 100 Gramm Kartoffeln haben einen Brennwert von nur 70 kcal. Da muss man auch bei der Diät keinen Hunger leiden. Vier Mahlzeiten, außer dem Frühstück, bestehen hauptsächlich aus Kartoffeln. Natürlich sind Pommes Frites oder Chips gestrichen. Ergänzen kann man allerdings die Mahlzeiten bis zur Gesamtkalorienzahl (1000 kcal pro Tag) mit Obst, Gemüse, Salat oder magerem Geflügel. Der Sättigungseffekt ist bei dieser Diät sehr hoch. Das Hungergefühl und Heißhungerattacken bleiben aus.

In der "Kartoffel-Sauna"Nicht nur in Großmutters Kochbuch, auch in Großmutters Hausapotheke hat die Kartoffel ihren Platz. Kartoffelwickel helfen bei Ohren- und Halsschmerzen. Zwei oder drei mit der Schale gekochte Kartoffeln in ein Tuch wickeln, zerdrücken und heiß auf die zu behandelnde Stelle legen. Rohe Kartoffelscheiben kann man bei leichten Erfrierungen auf die betroffenen Hautpartien legen, was die Schmerzen lindert.

Im bayerischen Bad Füssing nutzt man die medizinische Wirksamkeit der Kartoffel auf ungewöhnliche Weise. Hier kann man in Deutschlands erster Kartoffelsauna schwitzen. Ein Brei aus gestampften Kartoffeln, Salz, Mandelöl und Thermalwasser wird auf die Haut aufgetragen. Die Mischung soll antiseptisch, Feuchtigkeit spendend und zellerneuernd wirken. Mineralstoffe und Vitamine dringen während des Schwitzens durch die Haut ein. Das ist gesund, vitalisierend und wirkt als natürliche Schönheitspflege. Durch die Stoffwechselanregung wird die Haut gestrafft und wirkt jugendlich frisch.

Kartoffelgedicht
Goethe und sein Loblied auf die Kartoffel

Und wie steht es mit der aphrodisiakischen Wirkung der Kartoffel, was die frommen Prediger einst anprangerten? Der Botaniker und Anatom Caspar Bauhin, ein aus Frankreich in die Schweiz emigrierter Hugenotte, schrieb 1610 in einem seiner Werke über diese »unschuldige Wurzel«: »Unsere Leute rösten sie in der Asche wie Trüffel und essen sie geschält mit Pfeffer. Oder schneiden sie in Scheiben und gießen eine fette Soße darüber und essen sie, um sich zu erregen. In Wein gekocht, sind sie besonders hilfreich für alle die, die die Blüte ihrer Jahre überschritten haben.«

Ob Privatforscher Goethe diese wissenschaftliche Schrift kannte? Jedenfalls hatte er an seine Lebensgefährtin Christiane Vulpius, die ihm das Haus bestellte, die wichtige Anweisung gegeben: »Alle Mittag 12. gute Kartoffeln!" Und die treue Christiane schrieb dem verreisten Dichter am 6. Juni 1810 in einem Brief: »Lieber Geheimrath, (...) Allen Leuten sind beinah die Kartoffeln erfroren; doch die meinigen, welche ich heute früh mit Carolinen besucht habe, sind so groß und stehen so schön, dass es würklich eine Freude ist, sie anzuschauen.... Heute fängt es an, bei uns sehr schön zu werden, und ich finde es hier in meinem Häuschen recht vergnüglich und liebenswürdig.« Und zwischen den Zeilen des Briefes steht recht unmissverständlich, dass sie den lieben Geheimrat von Karlsbad, wo er zur Kur weilt und manches galante Abenteuer sucht, nach Hause nach Weimar locken möchte – und das mit dem Hinweis, dass es gut um die Kartoffeln steht.