Krankheiten durch Mangelernährung plagten die Menschen schon seit Jahrtausenden. Wir kennen erste Aufzeichnungen darüber schon von den ägyptern, den Griechen und den Römern. Diese Krankheiten traten dann besonders im nördlichen Europa während des Winterhalbjahres auf, wie mittelalterliche Chronisten berichten.
Im 15. und 16. Jahrhundert fielen dieser noch wenig erforschten Krankheit vor allem Seefahrer zum Opfer, wenn sie monatelang auf hoher See waren und die Vorräte zur Neige gingen. Viele Entdecker und Forscher, die von Europa in die Welt hinaus segelten, mussten feststellen, dass die Matrosen verstärkt von folgenden Leiden befallen wurden: Blutungen an Haut, Knochenhaut, Zunge und Zahnfleisch. Später fielen die Zähne aus, die Mannschaft war entkräftet. Die Männer litten unter Infektionen, Gelenkentzündungen hohem Fieber und Durchfall. Dann kam es zu Muskelschwund und Siechtum. Hunderte der Seeleute starben.
ärzte gaben diesen Symptomen den lateinischen Namen „Scorbutus" (Mundfäule). Allerdings galt die Krankheit für die kommenden hundert Jahre als unheilbar.
Abergläubische Seefahrer sahen darin einen teuflischen Fluch an Bord, andere vermuteten bereits einen Zusammenhang zwischen dieser Krankheit und richtiger Ernährung.
Mitte des 18. Jahrhunderts fand der schottische Schiffsarzt James Lind (1716-1794) heraus, dass die Einnahme von Zitronensaft die Symptome von Skorbut abschwächte. Er zog daraus den Schluss, dass die Krankheit mit dem Essen in Zusammenhang stehen könnte und startete eine Versuchsreihe mit zwölf erkrankten Personen. Neben Orangen und Zitronen zeigten auch Kartoffeln und Sauerkraut erstaunliche Wirkung.
1758 war James Lind Kapitän in der britischen Flotte von James Cook. Auf der Rückfahrt von der Südsee nach Porthsmouth zeigten einige der Seeleute Symptome von Skorbut und Lind bildete mehrere Therapie-Versuchsreihen. Lind gab einigen Apfelwein, anderen Weinessig, andere mussten Seewasser trinken. Beim Rest der Truppe experimentierte er mit Knoblauch, Senf und Zitrusfrüchte. Den Matrosen mit den Zitrusfrüchten ging es nach einer Woche wieder wesentlich besser. Bei den anderen Teilnehmern hatte sich kein Erfolg eingestellt. Lind setzte sich - neben den Ernährungsvorschriften - auch vehement dafür ein, die Hygiene auf britischen Schiffen zu verbessern.
Sein Vorgesetzter, Captain James Cook (1728-1779), versorgte seine Matrosen fortan mit Sauerkraut, Gerstenmalz und Zitronensaft und holte so oft wie möglich frisches Obst und Gemüse an Bord.
Wie er seinen Mannen das Sauerkraut schmackhaft machte, berichtet folgende Anekdote:
„Kapitän James Cook kennt seine Männer genau. Mit Alkohol lassen sie sich bei Laune halten. Und mit süßen Sachen. Wie aber bekommt er das saure Kraut in sie hinein? Ratlos sitzt er an diesem Abend 1776 am Tisch, die zweite Kerze ist fast abgebrannt. Dann kommt ihm eine Idee. Er lädt seine Matrosen in die Offiziersmesse ein. In großen Töpfen lässt er Sauerkraut auffahren, Cook schlingt das Kraut in sich hinein. Statt Bier trinkt er verdünnten Zitronensaft. Die Männer schauen ihn ungläubig an - dann übermannt sie der Hunger und die Neugier und sie schlagen auch zu. Denn sie halten alles für eine Delikatesse, was ihr Kapitän isst."
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zerbrachen sich zahlreiche Wissenschaftler, Chemiker, Biologen und Biochemiker den Kopf, welcher Stoff in Zitrusfrüchten und im Gemüse, die Skorbutleiden linderte. Man einigte sich vorerst auf den Buchstaben „C", um eine Benennung zu haben. Endlich, ein Jahr später gelang dem Chemiker Zilva die Isolierung des Wirkstoffes aus Zitronen. Einige Jahre später fand man diesen auch in Paprika und Kohl. Der ungarische Biochemiker Albert Szent-Györgyi forschte von 1928 bis 1932 und erkannte den Zusammenhang zwischen Oxidation von Nährstoffen (Kohlenstoff und Sauerstoff) und der dadurch freigesetzten Energie. Damit war das Verständnis der Wirkungsweise von Vitamin „C" gefunden.
Beinahe gleichzeitig (1933) gelang auch englischen Wissenschaftlern der Durchbruch. Sir Norman Haworth und Sir Edmund Hurst. Sie gaben der Skorbut bekämpfenden Substanz den Namen Ascorbinsäure (Antiskorbutische Säure).
Bald begann die industrielle Herstellung von Vitamin C und die Firma Hoffman-LaRoche meldete das Verfahren zum Patent an. Wesentlich an der Entwicklung der Synthese war der Schweizer Chemiker und Botaniker Tadeusz Reichstein, der 1950 dafür den Nobelpreis für Medizin bekam.
Der Rohstoff für die industrielle Vitamin-C-Produktion ist Glucose, gewonnen aus Mais, Weizendextrose oder Rübenzucker. Um ein Kilogramm Ascorbinsäure herzustellen, benötigt man zwischen zwei und vier Kilogramm Glucose. Weltweit werden heute circa 60.000 Tonnen Ascorbinsäure pro Jahr produziert. über die Hälfte davon benötigt die Lebensmittelindustrie.
Durch ständige Verbesserung der Herstellungsverfahren zählt Vitamin C mittlerweile zu den preisgünstigsten Vitaminen. Und gäbe es eine Rangordnung der Vitamine, so würde Vitamin C an der Spitze stehen. Denn kein anderes Vitamin verfügt - zumindest nach dem heutigen Stand der Forschung - über eine derartige Bandbreite an verschiedenartigen Wirkungen, die nur darauf ausgerichtet sind, die Gesamtheit des Organismus zu schützen, ihn vor Krankheiten und vorzeitigen Alterungsprozessen zu bewahren.
Jeder weiß, Vitamin C hilft gegen Infektionen: Husten, Schnupfen, Heiserkeit und Grippe. Aber das Vitamin kann noch viel mehr, als nur bei Erkältungskrankheiten den Immunapparat zu aktivieren. Allerdings muss Vitamin C in genügender Menge vorhanden sein. Denn im Falle einer beginnenden Erkrankung sinkt zunächst die Konzentration der weißen Blutkörperchen (Leukozyten), die den Hauptteil des Immunsystems darstellen, drastisch ab. Der Körper verliert die Fähigkeit, den Reparaturmechanismus in Gang zu setzen. Starke Vitamin-C-Räuber sind Nikotin, Alkohol und Drogen. Ein Mangel entsteht ebenfalls bei Leber-, Magen- oder Darmerkrankungen, entzündlich rheumatischen Beschwerden, schweren traumatischen Verletzungen, und bei Tumorerkrankungen, besonders im Endstadium. Zusätzlich kann die langfristige Einnahme von Medikamenten wie Antibiotika oder Cortison die Vitamin-C-Reserven erheblich vermindern.
Vitaminbombe Acerola-KirscheAscorbinsäure stimuliert im Organismus die Interferon-Synthese. Unter Interferon versteht man eine Anzahl von Proteinen (Körpereiweiß), die im Körper gebildet werden und das Immunsystem unterstützen. Das heißt, sie arbeiten gegen Viren, Bakterien und hemmen das Wachstum von Tumorzellen.
Vitamin C stimuliert Moleküle im Körper, die eine wesentliche Rolle bei den Organfunktionen spielen, zum Beispiel bei der Regelung des Herz-Kreislauf-Systems, bei Drüsenfunktionen und bei der Bekämpfung entzündeter Gewebe. Es unterstützt die Rekonvaleszenz nach Herzinfarkt, Schlaganfall und Zellschäden. Eine ausreichende Versorgung mit Acorbinsäure aktiviert den Cholesterinabbau in der Leber und senkt so den Cholesterinspiegel im Blut. Dadurch können das LDL(Low-Density-Lipid)-Cholesterin und die Triglyceride gesenkt werden bei gleichzeitiger Steigerung des HDL(High-Density-Lipid)-Cholesterins. Die Durchblutung verbessert sich.
Vitamin C wehrt Freie Radikale ab. Diese aggressiven Sauerstoffverbindungen entstehen durch den Stoffwechsel im Körper. Sie können chronische Entzündungen, Allergien, rheumatische Erkrankungen, Hautprobleme und Krebserkrankungen hervorrufen und damit eine vorschnelle Erschöpfung des Immunsystems erreichen. Sie bewirken auch Arthritis, Arteriosklerose, Tumorwachstum, Muskelschwäche, grauen Star und vor allem den vorzeitigen Alterungsprozess des Körpers.
Histamin ist ein biologischer Stoff, der bei überempfindlichkeit des Körpers gegen verschiedene, harmlose Reize freigesetzt wird. Bei Personen mit einem reduzierten Ascorbinsäure-Spiegel im Blut steigt dann ganz drastisch die Allergiebereitschaft. Studien belegen, dass Ascorbinsäure massiv in den Abbau und die Ausscheidung von Histamin eingreifen kann. Daher kommt Vitamin C mit gutem Erfolg bei allergischen Reaktionen zum Einsatz
Kollagen ist für die Entwicklung und den Aufbau von Knochen, Knorpel, Muskeln, Haut, Sehnen, Bändern, Zähnen und Blutgefäßen erforderlich. Besteht nun eine Unterversorgung mit Vitamin C kann die Aminosäure Prolin, ein Baustein des Kollagen und wichtigstes Eiweiß des Bindegewebes, nicht ausreichend produziert werden. Eine hohe Konzentration von Vitamin C erhöht die Festigkeit des Kollagens um das Achtfache. Dadurch fördert das Vitamin auch die schnelle Wundheilung.
Viele weitere Aminosäuren, die der Körper für seine Erhaltung braucht, sind zur Wirkungsentfaltung auf Vitamin C angewiesen. So zum Beispiel Carnitin, das für Muskelenergie zuständig ist. Ein Mangel führt zu Leistungsschwäche. Das Tyrosin setzt über verschiedene Stoffwechselvorgänge Glucocorticoide frei. Diese beeinflussen die die Psyche positiv. Das könnte auch erklären, warum zu den körperlichen Symptomen bei Skorbut auch Depressionen gehören und weshalb Vitamin C auch stimmungsaufhellend wirkt. Die Volksweisheit „Sauer macht lustig", hat also seine tiefere Bedeutung.
Außerdem stimuliert Vitamin C die Produktion von Hormonen. So beeinflusst es die Wechseljahresbeschwerden positiv und unterstützt die Reifung von Sperma. Es vermindert Fettanhäufungen in den Geweben des gesamten Körpers, vor allem in Herz und Leber und trägt so zur Verbesserung der Kondition bei.
Ascorbinsäure steigert die Eisenaufnahme aus Lebensmitteln und erhöht die Aufnahme von Folsäure in der Leber. Dadurch kommt es zu verbesserten Therapieergebnissen bei Blutarmut (Anämie).
Durch Vitamin C wird die Aufnahme von Schwermetallen wie Blei, Cadmium und Quecksilber verringert und deren schädigende Wirkung reduziert. Hat der Körper genügend Ascorbinsäure, können sich die Schwermetalle nicht in den Geweben festsetzen und werden schneller ausgeschieden. Schwermetallbelastungen können Haarausfall, Gefäßveränderungen (Krampfadern), Hautkrankheiten, Konzentrationsstörungen, Leber- und Nierenschwäche zur Folge haben. Da auch Giftstoffe wie Cyanide oder Formaldehyd durch Vitamin C unschädlich gemacht werden können, spielt es bei Entgiftungen eine große Rolle.
Wenn Vitamin C bei Krebserkrankungen eingesetzt wird, kann es auf keinen Fall Ersatz für eine konventionelle Tumortherapie sein. Es stimuliert als begleitende Maßnahme das Immunsystem. Ascorbinsäure wirkt hier unterstützend für verschiedene Leberenzyme, die für die Entgiftung und Ausscheidung nötig sind. Folglich werden Schmerzen und starke Nebenwirkungen einer Chemotherapie verringert, ohne deren Wirkung zu stören. Hohe Vitamingaben können das Allgemeinbefinden und die Lebensqualität der Patienten deutlich verbessern. Empfohlen sind Tagesmengen von 1 bis 15 g.
Zur allgemeinen Versorgung eines gesunden Menschen sind täglich 0,5 Gramm bis 1 Gramm Vitamin C ausreichend. Bei körperlichen Beschwerden sind höhere Dosen zu empfehlen. Dies ist von Fall zu Fall verschieden. Sinnvoll ist es, durch Vitamin-C-Infusionen die Speicher wieder aufzufüllen.
In unseren Lebensmitteln ist nicht so viel Vitamin C enthalten, wie uns die Werbung Glauben machen will. Außerdem findet man auf den Etiketten unterschiedliche Angaben. Weite Transportwege und eine lange Lagerung reduzieren den Vitamingehalt, und da Vitamin C wasserlöslich ist, geht es bei der Garung von Gemüse größtenteils in das Kochwasser über.
Rohkost ist die vitaminreichste Ernährung. Besonders viel Vitamin C ist vor allem in Paprika, Petersilie und Grünkohl, in Brokkoli und Blumenkohl enthalten. Bei den Früchten sind Sanddorn, schwarze und rote Johannisbeeren, Kiwis und alle Zitrusfrüchte die wichtigsten Vitaminspender. Besonders die Acerola-Kirsche ist bekannt für ihren sehr hohen Anteil. Sie enthält pro 100 Gramm zwischen 1300 und 1500 Milligramm Vitamin C. Da sie in unseren Breiten nicht wächst, können wir ihre Vitamine nur als Dragees, Bonbons oder Saft nutzen.
Die Einnahme auf nüchternen Magen kann gelegentlich eine abführende Wirkung haben. Deshalb führt man, auch als Magen schonende Therapie, Vitamin C besser per Infusion zu. Es wird einer Kochsalzlösung beigegeben und langsam in die Armvene geleitet. Bewährt hat sich eine Dosis von 10 Gramm des Vitamins pro Sitzung, eine Menge, die bei einer Einnahme über den Magen erstens hier zu Problemen führen könnte und zweitens möglicherweise vorzeitig über das Verdauungssystem ausgeleitet wird. Sinnvoll sind mehrere Sitzungen in wöchentlichem Abstand.
Im Zusammenhang mit erhöhter Vitamin C Aufnahme wurde immer wieder diskutiert, ob dadurch Harnsteine entstehen könnten. Tests zeigen, dass eine erhöhte, nicht vom Körper aufgenommene Dosis gleich wieder vom Körper ausgeschieden wird. Dabei spielt die Art der Zufuhr keine Rolle. Um die Ausscheidung zu gewährleisten, ist eine ausreichende tägliche Trinkmenge sicherzustellen.
Vorsicht ist bei Menschen geboten, die Medikamente zur Blutverdünnung einnehmen müssen. Hier sollten Vitamin-C-Gaben in hoher Dosierung nur unter Kontrolle erfolgen. Dies gilt auch bei verstärkter Blutungsneigung allgemein, besonders bei Netzhautblutungen.
In Bezug auf den Elektrolytstoffwechsel im Zusammenhang mit Vitamin C gibt es positive Erfahrungen. Die Blutwerte von Natrium, Kalium, Magnesium, Eisen, Kupfer, Zink und Mangan verbessern sich.
Vitamin C fördert nicht nur das Wohlbefinden, es ist auch als „Schönheits-Vitamin" bekannt. Linus Carl Pauling - er erhielt 1954 den Nobelpreisträger für Chemie und 1962 den Friedensnobelpreiträger für seinen Einsatz gegen Atomwaffentests - konnte nachweisen, dass Ascorbin die Bildung von Hyaluron begünstigt. Hyaluronsäure ist die Grundsubstanz von Bindegewebe, vom Glaskörper im Auge bis zur Haut und den Knorpeln. Die Säure glättet Falten und strafft das Bindegewebe. So bekommt die Haut wieder die Fähigkeit, Feuchtigkeit zu speichern. Studien lassen den Schluss zu, dass eine optimale Ernährung, ausreichende Bewegung in Verbindung mit richtiger Vitaminversorgung, die Lebensdauer und das Wohlbefinden um viele Jahre verlängern kann. Alterungsprozesse des Körpers werden durch Freie Radikale beschleunigt, die das Vitamin C chemisch bindet. Kosmetikhersteller nutzen die Extrakte der Zitrone für Parfums, Deodorants und ebenso für Hautcremes, um eine verjüngende und straffende Wirkung zu erreichen. Auch Reinigungsmittel mit Zitronenduft vermitteln Sauberkeit und Frische.
Im Hochsommer ist die saure Zitrone auch eine wahre Gaumenfreude, wenn man sie in der richtigen Rezeptur veredelt. Von der Limonade über die Cocktails und das Zitronensorbet bis hin zum eisgekühlten Limoncello aus Italien, wird Vitamin C zur Köstlichkeit.
Vom Duft der Zitronenblüten und vielen anderen exotischen Gewürzen wurde schon der deutsche Dichterfürst Johann-Wolfgang von Goethe inspiriert. Seiner romantischen Kindfrau Mignon legt er folgende Zeilen in den Mund:
Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn.
Im dunklen Laub die Goldorangen glühn,
ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht
die Myrte still und hoch der Lorbeer steht,
Kennst du es wohl?
Dahin! Dahin
Möcht´ ich mit dir, o mein Geliebter zieh´n.